Problem Fachkräftemangel: Was ist der Grund? Welche Fachkräfte brauchen deutsche Unternehmen? Und mit welchen Maßnahmen können wir entgegenwirken?
Bereits im Jahr 2030 wird laut Statistik die Zahl der erwerbsfähigen Personen im Alter zwischen 20 bis unter 65 Jahren auf 45,9 Millionen sinken. Im Jahr 2060 geht man nur noch von 35,7 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter aus. Das hat starke Auswirkungen auf den Bestand an Personal in den Unternehmen – sowohl im Handwerk als auch in der Pflege werden Millionen Fachkräfte fehlen. Die Herausforderungen für die Fachkräftesicherung und das Gewinnen von neuen Mitarbeitern wachsen daher für alle Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Zwar gibt es keinen flächendeckenden Fachkräftemangel, aber je nach Region, Branche und Beruf können sowohl kleine als auch größere und mittlere Unternehmen vakante Stellen nicht besetzen. Es fehlen zu viele Menschen, die als Fachkraft arbeiten können. Verschiedene Studien belegen, dass die Pflegeberufe besonders betroffen sind. Allen voran die Altenpflege, aber auch in der Krankenpflege ist jede Pflegekraft als Mitarbeiter herzlich willkommen – sei es in der ambulanten Pflege, im Krankenhaus oder in der Klinik. Dasselbe gilt auch für das Handwerk und die sogenannten MINT-Berufe, d. h. Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik aus der Industrie.
Unabhängig von der Branche – aus Sicht der Unternehmen und Handwerksbetriebe stellt der Fachkräftemangel damit inzwischen das größte Hemmnis für eine positive wirtschaftliche Entwicklung dar. Die Folgen sind für uns alle enorm. Ein Grund für diese Entwicklung ist der demographische Wandel und die damit verbundene zunehmende Alterung unserer Gesellschaft. Das Durchschnittsalter liegt bereits jetzt mit 45 Jahren fünf Jahre höher als im Jahr 1990. Für Männer liegt die Lebenserwartung laut Statistik aktuell bei 78,5 Jahren und bei Frauen bei 83 Jahren. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass zwar bis Mitte der 2030er Jahre die Zahl der ab 80-Jährigen stabil bleibt, danach jedoch massiv zunehmen wird.
Ein weiteres Problem: Unsere Gesellschaft wird nicht nur älter, wir werden auch weniger. Die junge Generation nimmt ab und den Unternehmen stehen zunehmend weniger junge Menschen mit der erforderlichen Bildung als Arbeitnehmer und Fachkraft von morgen zur Verfügung. Hinzu kommt, dass sie nach der Schule lieber ein Studium beginnen, statt einer dualen Ausbildung. Gerade in Berufen, die eine Ausbildung erfordern, wie z. B. im Handwerk, ist der Mangel zum Leidwesen der Unternehmen groß und es wird immer schwieriger, geeignete Nachwuchskräfte zu finden. Die früher hohe Nachfrage bei Jugendlichen nach einem Ausbildungsplatz, auch im Handwerk, hat Stand 2019 einen neuen Tiefstand erreicht.
Dabei suchen die Unternehmen vom Krankenhaus bis zum Handwerksbetrieb zur Deckung ihres Bedarfs an Mitarbeitern und Arbeitnehmern und zum Beheben ihres Personalmangels gerade die Fachkraft mit abgeschlossener Berufsausbildung. Insbesondere der Gesundheits-Sektor mit Altenpflege und Krankenpflege ist stark vom Fachkräftemangel betroffen und eins ist sicher: Mit zunehmender Alterung der Gesellschaft wird die Zahl der Pflegebedürftigen steigen und so der Bedarf an Pflegeleistungen und Altenpflegern. Schaffen wir es nicht, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wird das zu Engpässen und einem Mangel in der ambulanten und stationären Versorgung führen. Und zwar nicht nur im Gesundheits-Bereich, sondern in der Wirtschaft insgesamt.
Regionale Unterschiede
Unterschiede gibt es beim Fachkräftemangel in der Wirtschaft nicht nur nach Beruf bzw. Berufsgruppen der Beschäftigten. Auch nach Bundesland lassen sich Unterschiede feststellen: Laut Statistik fehlten im Jahr 2021 in Nordrhein-Westfalen 53.880 qualifizierte Fachkräfte in den Unternehmen in verschiedenen Berufen, d. h. es gab für durchschnittlich 27,6 Prozent aller offenen Stellen keine geeigneten Arbeitssuchenden. In Sachsen-Anhalt lag der Fachkräftemangel bei 11.760 Arbeitskräften und damit bei 38,8 Prozent Stellenüberhangsquote und in Baden-Württemberg gab es eine Fachkräftelücke von 51.143 qualifizierten Arbeitskräften in den Betrieben und damit für 39,3 Prozent der offenen Stellen keinen geeigneten Kandidaten. Die Arbeitskraft, die in jedem Bundesland am häufigsten fehlte, war die auf dem Anforderungsniveau Fachkraft.
Ohne Frage ist die Fachkräftesicherung ein Problem und das Thema für den Arbeitsmarkt, die deutsche Wirtschaft und die Unternehmen. Wir blicken im Folgenden vor allem auf den Fachkräftemangel im Gesundheits-Sektor und im Handwerk. Welche Lösung könnte es geben bzw. welche Maßnahmen sind geeignet, dem entgegenzuwirken?
Fachkräftemangel im Bereich Gesundheit
Während auf der einen Seite das Personal also längst knapp wird, verschärft der demografische Wandel in Deutschland die Situation zusätzlich. Je älter unsere Gesellschaft wird, desto höher wird in Folge auch die Nachfrage nach Pflegekräften und das nicht nur in der Klinik. Die Anzahl der Pflegebedürftigen wird im Verhältnis rapide ansteigen und im Jahr 2070 wird es zwischen acht und zehn Millionen 80-jährige Menschen und Ältere geben, so die Prognose. Schon heute kommen laut Statistik 55 Prozent aller Pflegebedürftigen aus dieser Altersklasse. Die Bundesagentur für Arbeit beurteilt das als großes Risiko für den Arbeitsmarkt. Hinzu kommt: Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist der limitierende Faktor in der gesundheitlichen Versorgung sowohl im Krankenhaus als auch ambulant und hat damit langfristig unmittelbar Auswirkung auf uns alle.
Neben dem demografischen Wandel stellen laut Bundesagentur die Arbeitsbedingungen in der Pflege eine wesentliche Ursache für den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen dar. So beklagen mit 72 % der Pflegenden die körperliche Anstrengung, die mit dem Pflegeberuf einhergeht, während junge Menschen, die als potenzielle Pflegekraft in Frage kommen, vor allem eine hohe psychische Belastung befürchten.
Neben den wenig attraktiven Arbeitsbedingungen wird vielerorts auch mangelnde Wertschätzung als Ursache genannt. Das zeigt sich u. a. in der Vergütung der Pflegeberufe, insbesondere in der Altenpflege. Zwar hat die Corona-Pandemie die Relevanz der Pflege in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, aber noch gibt es keine Lösung. Eine wichtige Maßnahme wäre daher ein angemessenes Gehalt für die Beschäftigten. Fragt man diejenigen, die als „Stille Reserve“ in der Pflege gelten, also Wechselwillige, die sich für den Bereich Pflege interessieren, Arbeitssuchende oder auch Schulabgänger der letzten drei Jahre, welche Bedingungen sich ändern müssten, damit sie sich für einen Pflegeberuf entscheiden und auch bis zur Rente in der Pflege arbeiten würden, dann folgt hinter der Bezahlung der Wunsch nach attraktiven Arbeitszeiten für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine bessere personelle Ausstattung, zu der auch ausländische Pflegekräfte beitragen können. Die Unternehmen müssten also mit Gehaltsanreizen in den Pflegeberufen arbeiten.
Von der Deutschen Krankenhausgesellschaft kommt indes ein Lob an den bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek mit seiner Strategie, die Pflegekraft im Krankenhaus von unnötiger Bürokratie zu befreien. Ziel ist das Entlasten der Pflegekraft, die ohnehin schon vom Personalnotstand betroffen ist.
Der BVMW Metropolregion Hannover bringt Unternehmerinnen und Unternehmer mit Politikerinnen und Politikern zusammen
Zu den drängendsten Herausforderungen unserer Zeit gehören die Themen Fachkräftemangel und die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland, Nachfolgeregelung und Energie. Als Impulsveranstaltungen finden, organisiert durch die Repräsentanten der Region Hannover- Braunschweig- Wolfsburg, Ulrich Pieschel, Thomas Labendsch und Bernd Felski, in regelmäßigen Abständen sowohl virtuelle als auch Präsenzveranstaltungen statt. Zu Zeiten von Kommunal- Landtags- und Bundestagswahlen werden unterschiedlichste Formate angeboten, damit Unternehmerinnen und Unternehmen sich zum einen über die Pläne der Politikerinnen und Politikern informieren können zum anderen aber auch um selbst drängende Fragen an die Politik zu stellen. Zur Landtagswahl in Niedersachsen gibt es sowohl eine Interviewreihe mit den Spitzenkandidaten der Parteien als auch eine Podiumsdiskussion mit Politikern aus dem Wirtschaftsausschuss. Die Beteiligung unserer Mitglieder und Interessenten mit Fragen und Anregungen ist unbedingt gewünscht.
Fachkräftemangel im Handwerk
Um die Energiewende herbeizuführen, hat das Angebot und der Ausbau regenerativer Energie aus Wind und Sonne eine der höchsten Prioritäten der Bundesregierung. Laut einer Studie vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung soll bis 2030 Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energiequellen gewinnen. Bis 2040 sollen ca. 43 Millionen Wohnungen klimaneutral werden. Der Ausbau der dafür erforderlichen Zahl an Wind- und Photovoltaik-Anlagen bedeutet also viel Arbeit. Dafür muss die Zahl an qualifizierten Fachkräften und Beschäftigten in den Handwerksbetrieben steigen. Bereits jetzt beklagen aber viele Betriebe fehlende Mitarbeiter in der Bauelektrik, der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und der IT-Branche.
Im Handwerk und vor allem in den Handwerksberufen sind bei den Arbeitgebern Frauen unter den Beschäftigten bislang noch deutlich unterrepräsentiert. Um mehr Fachkräfte für die angestrebte Energiewende zu gewinnen, ist eine Strategie, Frauen besonders in den Fokus zu rücken. Ihnen soll verstärkt ein attraktives Angebot unterbreitet werden. Damit das gelingt, sollten sich nicht nur mittelständische Unternehmen als attraktive Arbeitgeber präsentieren. Auch das Thema Bildung wie Umschulung oder Weiterbildung sind geeignete Maßnahmen für An- und Ungelernte – sei es über Teilqualifikationen oder bis hin zum Berufsabschluss. Zudem müssen junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk begeistert werden.
Der Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer macht sich noch für eine andere Maßnahme stark, denn aus seiner Sicht ist das deutsche Handwerk auf ausländische Fachkräfte dringend angewiesen. Er fordert daher eine andere Willkommenskultur für Zuwanderer aus dem Ausland. Seiner Meinung nach hat zwar auch die Corona-Krise einen Anteil an einer geringeren Zuwanderung als erwartet, aber vor allem wird es immer noch versäumt, den Zugang zum Arbeitsmarkt für Handwerker aus dem Ausland zu fördern – trotz des im Jahr 2020 eingeführten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und obwohl das immer noch hohe Wirtschaftswachstum in der Vergangenheit vor allem durch Binnenwanderung in der Europäischen Union gestützt wurde.
Da reicht auch nicht die Blaue Karte EU für Hochschulabsolventen aus, mit der die Zuwanderung von hoch qualifizierten Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten gefördert werden soll und die in allen EU-Ländern mit Ausnahme von Dänemark und Irland beantragt werden kann.
Der Präsident der Handwerkskammer Köln weist die Politik auch immer wieder darauf hin, dass das Handwerk fast die Hälfte der geflüchteten jungen Menschen ausbildet. Qualifizierte Handwerker mit Know-how sind langfristig für die Klima- und Mobilitätswende, aber auch die Versorgung der immer älter werdenden Gesellschaft unabdingbar, so Wollseifer.
Gerne verweisen wir in diesem Zusammenhang auch auf die ESF-Initiative mit dem Ziel, Weiterbildung und Gleichstellung zu fördern. Über das Portal der Bundesregierung erhalten Sie für Ihr Unternehmen weitere Informationen, wenn Sie sich für das Thema Einwanderung ausländischer Fachkräfte interessieren.